Auf der Fini Farm sind so wie in den meisten größeren Milchkuhbetrieben in der Region Castrolanda aufgrund des subtropischen Klimas die Kühe in Ställen untergebracht. Nur wenige Farmer lassen ihre Tiere auf den Weiden grasen, und dann auch nur begrenzt.
„Ausreichend hochwertiges Futter zu erzeugen ist hier in der Region die größte Herausforderung", erklärt Igor van den Broek. Der 31-jährige schlaksige Mann führt gemeinsam mit seinem Schwiegervater Hans und seinem Schwager Reynold Groenwold die Fini Milchfarm mit rund 900 Kühen in der Nähe von Castro im Bundestaat Paraná.
12.500 kg Herdendurchschnitt
Die Holsteinkühe der Fini Farm melken durchschnittlich 41 kg Milch pro Tag, im Jahresdurchschnitt summiert sich die Leistung auf 12.500 kg Milch mit 3,70 % Fett und 3,15 % Eiweiß. Auf dem Betrieb wird das Wachstumshormon BST eingesetzt. Täglich liefert die Farm 36.000 Liter Milch ab, pro Jahr mehr als 13 Millionen Liter.
Für diese Milch erhält die Farm derzeit rund 1,6 Echte, das entspricht umgerechnet rund 37 Cent. Die Produktion kostet etwa 32 Cent. Darin enthalten sind bereits 11 % Zinsen für ein Darlehen bei der Bank. Derzeit wird also Geld verdient, fünf Cent pro Liter Milch!
Einen Grund für den Erfolg der Milchfarm sieht Igor van den Broek in der Unternehmensstrategie, die sein Schwiegervater 1952 im Gepäck von Holland mit über den Atlantik nach Brasilien gebracht hat: „Du musst die Nase ein Stück weit vorn haben, um gut Ergebnisse zu erzielen. Du musst immer versuchen, ein bisschen besser zu sein als deine Wettbewerber“. Um dieses Ziel zu erreichen, wird auf der Farm strikt nach Protokoll gearbeitet. Dafür stehen den Mitarbeitern SOPs und Arbeitsprotokolle zur Verfügung.
Von Holland nach Brasilien
1952 emigrierte Hans Groenwold mit seinen Eltern aus dem niederländischen Drenthe nach Brasilien. Warum gerade Brasilien? Kurz zuvor hatten im Bundestaat Paraná niederländische Auswanderer die Molkereigenossenschaft Castrolanda gegründet.
Seit 1952 hat die Familie den Betrieb stetig weiterentwickelt. Derzeit melken die Mitarbeiter 868 Milchkühe dreimal täglich im zehn Jahre alten 2x20-SwingOver-Melkstand. Die Kühe „wohnen“ in einem 330 Meter langen und 32 Meter breiten Doppelreiher, der im Laufe der Jahre mehrfach erweitert wurde. Eine nochmalige Verlängerung des Kuhstalls ist nicht geplant, obwohl die Herde nochmals um 100 bis 150 Kühe aufgestockt werden soll. Igor geht davon aus, dass er problemlos 1.000 Kühe im Stall wird unterbringen können, sofern er die Trockensteher ausquartiert. Spätestens im Herbst soll es soweit sein, denn aktuell tummeln sich viele hochtragende Färsen im Stall. „Normalerweise halten wir nur ungefähr 700 Jungrinder, in den letzten zwei Jahren haben wir aber mehr Tiere aufgezogen. Diese zusätzlichen Färsen kalben jetzt alle ab.“
Intensives Repro-Management
Zudem kalben im brasilianischen Herbst (Frühjahr in Deutschland) 60 % der Kühe auf einen Schlag ab. „Eigentlich streben wir eine kontinuierliche Abkalbung über das Jahr hinweg an, aber das ist schwer zu realisieren“, erläutert der Milchprofi. Denn im Winter (in den Monaten Juli, August und September) werden die Kühe aufgrund des gemäßigten Klimas besser tragend als während der Sommermonate. Dann lassen die enorme Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit die Konzeptionsraten deutlich absinken.
Auf das subtropische Klima führt Igor denn auch die ihn nicht zufriedenstellenden Erstbesamungsergebnisse zurück. „Nur 54 % der Kühe nehmen nach der Erstbesamung auf. Unser Ziel ist es jedoch, 70 % der Kühe tragend zu bekommen.“
Um die Herde möglichst frischmelkend zu halten, werden die Kühe frühzeitig belegt. Dass Igor die Messlatte sehr hoch legt, lässt sich an der niedrigen Zwischenkalbezeit von 380 Tagen ablesen. Unter diesen klimatischen Umständen ist dieses eigentlich ein sehr guter Wert, der auf ein sehr penibles Fruchtbarkeitsmanagement rückschließen lässt.
Um sicherzustellen, dass keine leeren Kühe „durchrutschen“, werden die frisch besamten Tiere jede Woche von dem auf der Milchfarm festangestellten Tierarzt untersucht. Die erste Trächtigkeitsuntersuchung (TU) nach etwa 28 Tagen, eine weitere am 60. Tag nach der Belegung. Kurz vor dem Trockenstellen erfolgt dann nochmals ein Trächtigkeitstest über die Milch. „Das mag etwas übertrieben wirken, das Trockenstellen einer leeren Kuh kostet letztlich Arbeit und auch Geld. Aber mein Schwiegervater ist im Vorstand der Zuchtorganisation, die auch den Trächtigkeitstest über die Milch anbietet. Deshalb fühlen wir uns auch ein bisschen verpflichtet, diesen durchzuführen", lacht Igor van den Broek.
Kühe nach Alter gruppiert
Um eine hohe Milchleistung zu erzielen, bleiben die Kühe das ganze Jahr über im Stall. Nur die hochtragenden Färsen und die trockenstehenden Kühe dürfen raus auf die Weide. Sie sollen sich ein wenig freier bewegen können.
Die Milchkühe im Stall sind in acht Gruppen untergebracht. Zwei Trockensteher-Gruppen (frühtrocken und Close-up) sowie sechs Produktionsgruppen für Milchkühe in der Laktation. Die Kühe sind hier nach Alters- bzw. Laktationsgruppen aufgeteilt (Färsen, zweite bis fünfte Laktation). In zwei weiteren Gruppen werden die Färsen und Kühe mit nur mittlerem Leistungspotenzial aufgefangen. Mithilfe des System der Alters- bzw. Produktionsgruppen hoffen die Milchprofis aus der Familie Rangkämpfe einzuschränken, den Stress für die Kühe zu verringern und so letztlich die Nutzungsdauer erhöhen zu können. Die derzeitige Nutzungsdauer liegt bei 2,8 Laktationen.
TMR für 50 kg Milch
Den Kühen in den sechs Leistungsgruppen wird eine für 50 kg Milch berechnete Futtermischung vorgelegt. Die Ration besteht aus 32 kg Silomais, 8 kg Grassilage, 5 kg Biertreber, 5 kg Körnermais, 4,7 kg Sojaschrot, 3,5 kg Maismehl, 1,0 kg Baumwollsamen und 1,2 kg Mineralien.
Die Werbung von ausreichend hochwertigem Grundfutter ist hier eine echte „Herausforderung“!
Igor van den Broek
„Das ist eine teure Ration, keine Frage“ gibt Igor van den Broek zu. „Aber um in diesem warmen und feuchten Klima eine hohe Milchleistung zu erzielen, ist das notwendig. Denn die Werbung von ausreichend qualitativ hochwertigem Grundfutter ist eine stetige Herausforderung und keine „Normalität“. Obwohl in der Region im Jahresdurchschnitt mit 1.600 mm Niederschlag mehr als ausreichend Wasser vom Himmel fällt, gilt der Anbau von Gras als schwierig. Aufgrund der hohen Tages- und Nachttemperaturen verdunstet das Wasser schnell wieder, zudem halten die zumeist sandigen Böden die Feuchtigkeit schlecht zurück. In niederschlagsfreien Perioden versengen auch durchaus schon mal die Gräser unter der brennenden Sonne. In der Regel sind deshalb pro Jahr auch nur zwei Ernten (Grasschnitte) möglich. Um qualitativ hochwertige Grasbestände zu sichern, müssen die Flächen jedes Jahr neu gesät werden.
Auf Grünland streut Igor zusätzlich zur Gülle pro Jahr noch rund 200 kg Stickstoff, 120 kg Phosphor und 100 kg Kalium. „Das ist einfach notwendig, um Qualitätseinbußen zu verhindern", erklärt er.
Geringe Kälbersterblichkeit
Die Standardisierung der Arbeitsprozesse hat auch im Kälberstall zu überdurchschnittlichen Aufzuchtergebnissen geführt. Die Totgeburtenrate liegt gerade mal bei 5,5 %, im brasilianischen Durchschnitt fällt sie doppelt so hoch aus. Auch die Sterblichkeitsrate (ermittelt nach 14 Lebenstagen) ist mit 1,54 % beeindruckend gering, zumal alle Bullenkälber aufgezogen werden. In vielen Milchviehbetrieben Brasiliens ist das nämlich nicht der Fall. Die männlichen Nachkommen gelten in dem südamerikanischen Land als unproduktiv und werden daher oft unmittelbar nach der Geburt getötet.
Hoher Infektionsdruck
Ebenfalls überdurchschnittlich gut ist die Eutergesundheit der Kuhherde auf der Fini Farm. Generell stellen Eutererkrankungen in Brasilien die Milchfarmer vor große Herausforderungen. „Wir haben das Mastitisproblem in aller Regel recht gut unter Kontrolle“, ist van den Broek überzeugt. „Bei Verdacht auf eine Mastitis nehmen wir sofort eine Milchprobe und lassen diese im Milchlabor der Genossenschaft, das nur einige Kilometer entfernt ist, untersuchen. So wissen wir meist innerhalb von nur drei Stunden, welche Antibiotika wir verwenden sollten.“
Der mittlere Zellgehalt der Herde lag im letzten Jahr bei 236.000 pro ml. „Das ist akzeptabel, aber angesichts der Sandeinstreu in den Liegeboxen erscheint mir der Wert das immer noch zu“, bemängelt Igor. Schuld daran sind die heißen Sommer und die hohe Luftfeuchtigkeit im Stall.
Bereits seit 25 Jahren wird auf der Milchfarm mit Sand als Einstreu experimentiert. Der mit der Gülle ausgespülte Sand wird recycelt und zu 80 % wiederverwendet. „Optimal ist das nicht“, gibt Igor van den Broek zu Protokoll und runzelt die Stirn. „Wir haben aber keine andere Wahl, da wir Sand aus dem Fluss fördern, der sich bei Hochwasser ablagert. Dieser feine Sand lässt sich leicht aus der Gülle separieren. Während der restlichen Monate müssen wir jedoch Sand aus einer Mine gewinnen. Dieser ist gröber, lässt sich weniger gut abscheiden und verstopft sogar des Öfteren die Pumpen. Das ist nicht nur sehr ärgerlich, es kostet auch Nerven und Geld.“ Doch auf Sand als Einstreu möchten die Unternehmer dann aber auch nicht verzichten, bei einem Wechsel der Einstreu befürchten sie negative Auswirkungen auf die Eutergesundheit. Zudem bietet Sand den leistungsstarken Milchkühen auch den meisten Komfort.
Das Thema Kuhkomfort wird auch bei den trockenen Kühen großgeschrieben. Diese sind seit Kurzem in einem Freilaufstall untergebracht, wo sie auf mit Hackschnitzeln versetztem Kompost liegen. „Die Hackschnitzel sorgen dafür, dass dieses System funktioniert. Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit funktioniert hier reine Stroheinstreu bzw. reiner Kompost nicht", erklärt Igor.